Georg von Oertzen                Der Dichter und die Muse

 

Du läßt, mein Freund, schon wieder dich ertappen

Auf Wegen, die zur Dunkelheit dich lenken:

Statt rücksichtsvoll des Publicums zu denken,

Stehst du vertieft, gehst satteln deinen Rappen

 

Und schmeichelst ihm und legst ihm an die knappen

Sonettenzügel. Niemand will dich kränken,

Doch, was du schreibst, taugt nicht zu Festgeschenken.

Ja, dein Genie hat Hang zum Überschnappen.

 

Nicht Prachtgefäße, schwer von Edelsteinen,

Nein, Kuchen formt des wahren Dichters Tugend,

In dessen Brei Gedanken mundrecht scheinen.“

 

Sie sprach’s, er hört’s – und ward, nach Bändern lugend,

Präses in Mittelmäßigkeitsvereinen

Und Novellist für unsre reife Jugend.

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Don Juan

 

Du trittst vor mich, bewehrt noch mit der Klinge,

Don Juan, feucht vom Blut des Commodore,

Trunken vom Duft aus welkem Blumenflore,

Dämon, gehüllt in’s Kleid der Schmetterlinge.

 

Dein Auge sprüht, dein Lächeln webt die Schlinge,

Der Lippe Wohllaut träufelt Gift dem Ohre:

Und sterbend flieht aus unbewachtem Thore

Die holde Scham, daß dein Triumph gelinge.

 

Ja, du bist satt, ein Meister in Genüssen,

Und warum doch so ruhlos weiter drängend?

Weil dir sich je kein Wollen gab, nur Müssen,

 

Der Liebe Hauch, mit Hasses Gluth vermengend.

Drum dürstet dich nach frei aufblühnden Küssen,

Nach Einem Blick, glückselig an dir hängend.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Im letzten Stadium

 

Du armes Weib! Im lächelnden Geflitter

Der buntdurchschwärmten Tage, die dich treiben

Von Nichts zu Garnichts, die in’s Herz dir schreiben

Kein Lebenswort, hör mich, hör deinen Ritter:

 

Zwar kann ich nicht zum Tremolo der Zither

Gefühle heucheln, welche ewig bleiben,

Noch mein Gewand im Staub vor dir zerreiben;

Nur fragen kann ich, warum schmerzlich bitter

 

Die Einsamkeit, die Andern Frieden bringet,

Verzweiflung eingräbt deinen starren Zügen?

Ist Reue dies? Vom Seufzerhauch beschwinget,

 

Ihr leises Flehn zu Gott hin Engel trügen.

Die Wimper zuckt, Heil, wer sich selbst bezwinget!

Doch nein: du weinst und – deine Thränen lügen.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Greise und alte Leute

 

Matronen, Greise mit dem Friedensglanze,

Den unmerklich silberner die Locken

Ums Haupt Euch winden, bis die Feierglocken

Euch laden ein im güldnen Hochzeitskranze:

 

Ihr segnet, wer Euch nahet! Wenn das Ganze,

Was uns die Parze spinnt vom Schicksalsrocken,

So lieblich ist, ja dann läßt niemand stocken

Die Arbeit, daß er Linnen für sie pflanze.

 

Ach, aber Ihr, denen die Jahre stahlen,

Was mürrisch Euch die Stunden zubereiten,

Bei Nacht nicht schlummernd und der Tag voll Qualen,

 

Einsam durch Selbstsucht, matt von Kleinigkeiten:

Voll tiefen Mitleids hör ich Euer Prahlen,

Wie schön es war in abgelebten Zeiten.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Hochwohlgeboren

 

Durch Arztes Hand in unsre Welt gekommen,

Dies feine Kind, gestillt von einer Amme

In bunter Tracht aus kräftgem Bauernstamme,

Wächst zierlich auf und wird in Zucht genommen

 

Von christlichen Hauslehrern, die beklommen

Und höflich sind. Erhitzt von keiner Flamme,

Ja nicht gekämmt mit einem rauhen Kamme,

Von keiner Arbeit jemals übernommen:

 

So lernt es, an gebratne Tauben gebwen

Sein offnes Mäulchen, lernt auch tanzen, reiten

Und würdevoll nach Eleganz zu streben.

 

Doch, brausen Stürme, dann wo Männer streiten,

Entschlüpft es aus dem Garn von Lieb und Leben

Kühl in die Aalhaut glatter Höflichkeiten.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Das Ideal der Freundschaft

 

Auf, mein Gesang, laß perlen Flötentöne

So weich, so lind und duftig, wie noch nimmer:

Lockt Manchen ein romantisch eitler Flimmer,

Erhabnen dich, dem Reinsten dich gewöhne.

 

Denn hohl ist Liebe, Staub des Leibes Schöne:

O Mädchenfreundschaft, zarter Seelenschimmer,

Briefheiligthum voll Nachtigallgewimmer,

Dir schwillt ein Hymnus, würdig der Kamöne.

 

Wenn Alles lügt, du strahlest, rührend wahre!

Wenn Hoffnung welkt, du blühst, du immergrüne,

Kein Runzelchen giebt dir der Lauf der Jahre,

 

Kein Adamssohn sich wider dich erkühne.

Nur Einer weint an deiner Todtenbahre:

Er, welcher tritt als Freier auf die Bühne.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Unschuldige Vergnügungen

 

O hätt ich Schutz vor meinen Freunden, wär ich

Mein eigner Herr, auf eignem Pfad zu streben!

Dem Spott der Feinde könnt ich Antwort geben

Und alles Lernen fände mich gelehrig.“

 

Dies Seufzen ist mir nie entschlüpft, so sehr ich

In Freiheit auch für meinen Theil will leben.

Denn, müssen, sie als Engel mich umschweben,

Laß schweben sie: ein Schauspiel nicht verwehr ich.

 

Auch kost ich wohl, wenn sie Bescheid mir thuen

Aus ihrer Weisheit übervollem Kristall,

Ich träume gern von meinen Kinderschuhen.

 

Doch ruft die That in’s Eine Ohr, dann eitel ist all

Ihr Schrein in’s andre. Freund und Feind dann ruhen

Im Busen mir und im Photographie-Stall.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                In unsern auserwählten Kreisen

 

Wie ist, wie wird mir? Welche Geistessphäre!

Hier athmet Bildung vornehm aromatisch

Und spricht voll Würde, hebt den Blick ekstatisch,

Damit das Sein zum Nichtsein sich verkläre.

 

Denn Einen küßt die Muse, jene hehre

Bachantin holden Blödsinns, (problematisch

Ihr Stammbaum freilich, ob aristokratisch?)

Den Andern hüllt in Nacht Gedankenschwere.

 

und Diese lächeln, sind als Mäcenaten

Auf du und du mit jedem Ruhm vertraulich;

Die Zukunftsohren öffnend, sie errathen

 

Vulcanausbrüche von Musik, fast graulich,

Genialen Säuglings ungeborne Thaten.

Ihr Ich – ein Meer, in dem sie ruhn beschaulich.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Moderne Huldigungen

 

Mignonner Fuß, die Schleppe weithin rauschend,

Geborgtes Haar, phantastisch ungeschlichtet,

Die Lippe flink, den Blick auf’s Ziel gerichtet,

Des Busens Knospe fromm durch Schleier lauschend:

 

So geht jetzt Sie, die alten Rollen tauschend,

Auf Seiner Spur, bis Scham und Scheu vernichtet;

Und wenn Gefallsucht hier die Anker lichtet,

Kreuzt dort Blasirtheit, hoch die segel bauschend.

 

Er aber sitzt und mustert sie verstohlen,

Der Vielbegehrte, kneifend die Lorgnette.

Bein übers Knie, betrachtend seine Sohlen,

 

Nimmt er zerstreut den Fächer der Coquette,

Und kitzelt sie mit Witzen, mit frivolen,

Und mit dem Duft der türkschen Cigarette.

 

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Auch Frömmigkeit?

 

Ein Sprüchlein lockt Euch. Wenn Ihr näher tretet,

Erkennt ihr bald, wer Haus und Herz bewohnet:

Manch frommer Vers ob Tisch und Betten thronet,

In Nachbars Garten Unkraut wird gejätet,

 

Die böse Menschheit seufzend durchgeknetet,

Und selbst der Freund, der  Bruder nicht verschonet.

Doch Abends dann, weil Gott die Liebe lohnet,

Auch für den Zöllner, für den Feind gebetet.

 

Du aber fliehe, Muse, fleuch von hinnen!

Dein Buhlerlied allhier nicht soll es tönen,

Dein Farbenglanz kein Auge hier gewinnen.

 

Magst du’s und willst dies Jammerthal verschönen?

Sie hört’s und geht, doch ihre Thränen rinnen:

„Mein Gott, vergieb den Frommen, die dich höhnen.“

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Bedeutend!

 

„Ist Euer Pastor in der That bedeutend,

Wie du vernommen von der Frau Gevattern,

Dann wird die Wittwe nächstens ihn ergattern,

Die zwar nicht hübsch, doch gläubig und bedeutend.“

 

Der zehn Gebote elftes heißt: Bedeutend!

Also gerühmt von Thee-Berichterstattern,

Mit giftig frommen Gänsen mußt du schnattern,

Thu, was du magst, nur rede ja bedeutend.

 

Und nimmer dein verzagtes Herz dir klopfe

Die Sünde wach, ein schwächlich Mitleid schlafe,

Mit Waffen aus dem strenggeschulten Kopfe

 

Die Liebe treibt es, daß sie seufzend strafe.

- O Lammbedeutung! Weh mir armem Tropfe:

Mein Wolfsgemüth ist allzu weich für Schafe.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Hol sie der Kukuk!

 

Ein starker Geist verwindet großen Jammer,

Herzwärmend schier sind dichte Trauerflöre.

Wer aber lebt, der niemals sich empöre

Im Alltagsjoch, wenn in die Folterkammer

 

Mit Nadelstich und zäher Freundschaftsklammer

Uns Neugier ruft zu peinlichem Verhöre

Und Klatschsucht stimmet ihre Sperlingschöre?

Da flucht man wohl der Stunden trägem Hammer

 

Und schätzt am Esel dankbar den Kinnbacken,

Muß aber doch, statt grob zu sein mit Keulen,

Galant und höflich taube Nüsse knacken

 

Und Tugend lernen von bebrillten Eulen,

Bis die Dämonen uns beim Schopfe packen;

Denn schrecklich ist’s, mit alten Weibern heulen.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Eines schickt sich nicht für Alle

 

Die Klugen sprachen: „Du mußt endlich lernen

Kaltblütig sein und mehr denn früher pracktisch;

Die Dichtung Traum ist, doch der Hunger faktisch,

Und keine Zinsen holt man von den Sternen.

 

„Gedenk der Sorge, selbst der noch so fernen,

Zeig fügsam Dich, nicht stolz autodidaktisch,

Dein Feuerstrom sonst gleichsam kataraktisch

Nach hohem Anfang endigt in Tavernen.“

 

Darob erschrak mein Herz: Mit Opfermienen

Die Prosa rief ich, die nebst Wasserkübeln

Voll Nüchternheit und Vorsicht schnell erschienen.

 

Sie wusch den Kopf mir, - kann man ihr’s verübeln?

Die Gluthen starben, doch die Kraft mit ihnen:

Und Kleinmuth ist die Frucht von meinem Grübeln.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Die die Wahrheit kund machten.

 

Welch ein Geräusch eitler Gelehrsamkeiten,

Ob Adam unser Urpapa, ob Affen

Als Studie für dies Geschlecht erschaffen,

Wie klein das Hirn, wie groß das Maul vor Zeiten?

 

Zwar, wenn wir heut durch Saal und Gasse schreiten

Und Männer sehn zum Spott für welke Laffen,

Und blinzelnd Neid und Hohlheit sich begaffen,

Verdächtig wird’s woher den Stamm sie leiten.

 

Doch einmal ein Betrübter jenen Gecken

Und wilden Fraun mit überschminktem Herzen

Nachwandele durch lange Lebensstrecken:

 

Und Heimweh, weinend unter bittern Scherzen,

Und Narben, die vor solchem Blick erschrecken,

Gewahrt sein Aug, - Goldgräber sind die Schmerzen.