Du läßt, mein Freund, schon
wieder dich ertappen
Auf Wegen, die zur Dunkelheit
dich lenken:
Statt rücksichtsvoll des
Publicums zu denken,
Stehst du vertieft, gehst
satteln deinen Rappen
Und schmeichelst ihm und legst
ihm an die knappen
Sonettenzügel. Niemand will
dich kränken,
Doch, was du schreibst, taugt
nicht zu Festgeschenken.
Ja, dein Genie hat Hang zum
Überschnappen.
Nicht Prachtgefäße, schwer von
Edelsteinen,
Nein, Kuchen formt des wahren
Dichters Tugend,
In dessen Brei Gedanken
mundrecht scheinen.“
Sie sprach’s, er hört’s – und
ward, nach Bändern lugend,
Präses in
Mittelmäßigkeitsvereinen
Und Novellist für unsre reife
Jugend.
Du trittst vor mich, bewehrt
noch mit der Klinge,
Don Juan, feucht vom Blut des
Commodore,
Trunken vom Duft aus welkem
Blumenflore,
Dämon, gehüllt in’s Kleid der
Schmetterlinge.
Dein Auge sprüht, dein Lächeln
webt die Schlinge,
Der Lippe Wohllaut träufelt
Gift dem Ohre:
Und sterbend flieht aus
unbewachtem Thore
Die holde Scham, daß dein
Triumph gelinge.
Ja, du bist satt, ein Meister
in Genüssen,
Und warum doch so ruhlos
weiter drängend?
Weil dir sich je kein Wollen
gab, nur Müssen,
Der Liebe Hauch, mit Hasses Gluth
vermengend.
Drum dürstet dich nach frei
aufblühnden Küssen,
Nach Einem Blick, glückselig
an dir hängend.
Du armes Weib! Im lächelnden
Geflitter
Der buntdurchschwärmten Tage,
die dich treiben
Von Nichts zu Garnichts, die
in’s Herz dir schreiben
Kein Lebenswort, hör mich, hör
deinen Ritter:
Zwar kann ich nicht zum
Tremolo der Zither
Gefühle heucheln, welche ewig
bleiben,
Noch mein Gewand im Staub vor
dir zerreiben;
Nur fragen kann ich, warum
schmerzlich bitter
Die Einsamkeit, die Andern
Frieden bringet,
Verzweiflung eingräbt deinen
starren Zügen?
Ist Reue dies? Vom
Seufzerhauch beschwinget,
Ihr leises Flehn zu Gott hin
Engel trügen.
Die Wimper zuckt, Heil, wer
sich selbst bezwinget!
Doch nein: du weinst und –
deine Thränen lügen.
Matronen, Greise mit dem
Friedensglanze,
Den unmerklich silberner die
Locken
Ums Haupt Euch winden, bis die
Feierglocken
Euch laden ein im güldnen
Hochzeitskranze:
Ihr segnet, wer Euch nahet!
Wenn das Ganze,
Was uns die Parze spinnt vom
Schicksalsrocken,
So lieblich ist, ja dann läßt
niemand stocken
Die Arbeit, daß er Linnen für
sie pflanze.
Ach, aber Ihr, denen die Jahre
stahlen,
Was mürrisch Euch die Stunden
zubereiten,
Bei Nacht nicht schlummernd
und der Tag voll Qualen,
Einsam durch Selbstsucht, matt
von Kleinigkeiten:
Voll tiefen Mitleids hör ich
Euer Prahlen,
Wie schön es war in abgelebten
Zeiten.
Durch Arztes Hand in unsre
Welt gekommen,
Dies feine Kind, gestillt von
einer Amme
In bunter Tracht aus kräftgem
Bauernstamme,
Wächst zierlich auf und wird
in Zucht genommen
Von christlichen Hauslehrern,
die beklommen
Und höflich sind. Erhitzt von
keiner Flamme,
Ja nicht gekämmt mit einem
rauhen Kamme,
Von keiner Arbeit jemals
übernommen:
So lernt es, an gebratne
Tauben gebwen
Sein offnes Mäulchen, lernt
auch tanzen, reiten
Und würdevoll nach Eleganz zu
streben.
Doch, brausen Stürme, dann wo
Männer streiten,
Entschlüpft es aus dem Garn
von Lieb und Leben
Kühl in die Aalhaut glatter
Höflichkeiten.
Auf, mein Gesang, laß perlen
Flötentöne
So weich, so lind und duftig,
wie noch nimmer:
Lockt Manchen ein romantisch
eitler Flimmer,
Erhabnen dich, dem Reinsten
dich gewöhne.
Denn hohl ist Liebe, Staub des
Leibes Schöne:
O Mädchenfreundschaft, zarter
Seelenschimmer,
Briefheiligthum voll
Nachtigallgewimmer,
Dir schwillt ein Hymnus,
würdig der Kamöne.
Wenn Alles lügt, du strahlest,
rührend wahre!
Wenn Hoffnung welkt, du
blühst, du immergrüne,
Kein Runzelchen giebt dir der
Lauf der Jahre,
Kein Adamssohn sich wider dich
erkühne.
Nur Einer weint an deiner
Todtenbahre:
Er, welcher tritt als Freier
auf die Bühne.
O hätt ich Schutz vor meinen
Freunden, wär ich
Mein eigner Herr, auf eignem
Pfad zu streben!
Dem Spott der Feinde könnt ich
Antwort geben
Und alles Lernen fände mich
gelehrig.“
Dies Seufzen ist mir nie
entschlüpft, so sehr ich
In Freiheit auch für meinen
Theil will leben.
Denn, müssen, sie als Engel
mich umschweben,
Laß schweben sie: ein
Schauspiel nicht verwehr ich.
Auch kost ich wohl, wenn sie
Bescheid mir thuen
Aus ihrer Weisheit übervollem
Kristall,
Ich träume gern von meinen
Kinderschuhen.
Doch ruft die That in’s Eine
Ohr, dann eitel ist all
Ihr Schrein in’s andre. Freund
und Feind dann ruhen
Im Busen mir und im
Photographie-Stall.
Wie ist, wie wird mir? Welche
Geistessphäre!
Hier athmet Bildung vornehm
aromatisch
Und spricht voll Würde, hebt
den Blick ekstatisch,
Damit das Sein zum Nichtsein
sich verkläre.
Denn Einen küßt die Muse, jene
hehre
Bachantin holden Blödsinns,
(problematisch
Ihr Stammbaum freilich, ob
aristokratisch?)
Den Andern hüllt in Nacht
Gedankenschwere.
und Diese lächeln, sind als
Mäcenaten
Auf du und du mit jedem Ruhm
vertraulich;
Die Zukunftsohren öffnend, sie
errathen
Vulcanausbrüche von Musik,
fast graulich,
Genialen Säuglings ungeborne
Thaten.
Ihr Ich – ein Meer, in dem sie
ruhn beschaulich.
Mignonner Fuß, die Schleppe
weithin rauschend,
Geborgtes Haar, phantastisch
ungeschlichtet,
Die Lippe flink, den Blick
auf’s Ziel gerichtet,
Des Busens Knospe fromm durch
Schleier lauschend:
So geht jetzt Sie, die alten
Rollen tauschend,
Auf Seiner Spur, bis Scham und
Scheu vernichtet;
Und wenn Gefallsucht hier die
Anker lichtet,
Kreuzt dort Blasirtheit, hoch
die segel bauschend.
Er aber sitzt und mustert sie
verstohlen,
Der Vielbegehrte, kneifend die
Lorgnette.
Bein übers Knie, betrachtend
seine Sohlen,
Nimmt er zerstreut den Fächer
der Coquette,
Und kitzelt sie mit Witzen,
mit frivolen,
Und mit dem Duft der türkschen
Cigarette.
Ein Sprüchlein lockt Euch.
Wenn Ihr näher tretet,
Erkennt ihr bald, wer Haus und
Herz bewohnet:
Manch frommer Vers ob Tisch
und Betten thronet,
In Nachbars Garten Unkraut
wird gejätet,
Die böse Menschheit seufzend
durchgeknetet,
Und selbst der Freund,
der Bruder nicht verschonet.
Doch Abends dann, weil Gott
die Liebe lohnet,
Auch für den Zöllner, für den
Feind gebetet.
Du aber fliehe, Muse, fleuch
von hinnen!
Dein Buhlerlied allhier nicht
soll es tönen,
Dein Farbenglanz kein Auge
hier gewinnen.
Magst du’s und willst dies
Jammerthal verschönen?
Sie hört’s und geht, doch ihre
Thränen rinnen:
„Mein Gott, vergieb den
Frommen, die dich höhnen.“
„Ist Euer Pastor in der That
bedeutend,
Wie du vernommen von der Frau
Gevattern,
Dann wird die Wittwe nächstens
ihn ergattern,
Die zwar nicht hübsch, doch
gläubig und bedeutend.“
Der zehn Gebote elftes heißt:
Bedeutend!
Also gerühmt von
Thee-Berichterstattern,
Mit giftig frommen Gänsen mußt
du schnattern,
Thu, was du magst, nur rede ja
bedeutend.
Und nimmer dein verzagtes Herz
dir klopfe
Die Sünde wach, ein
schwächlich Mitleid schlafe,
Mit Waffen aus dem
strenggeschulten Kopfe
Die Liebe treibt es, daß sie
seufzend strafe.
- O Lammbedeutung! Weh mir
armem Tropfe:
Mein Wolfsgemüth ist allzu
weich für Schafe.
Ein starker Geist verwindet
großen Jammer,
Herzwärmend schier sind dichte
Trauerflöre.
Wer aber lebt, der niemals
sich empöre
Im Alltagsjoch, wenn in die
Folterkammer
Mit Nadelstich und zäher
Freundschaftsklammer
Uns Neugier ruft zu peinlichem
Verhöre
Und Klatschsucht stimmet ihre
Sperlingschöre?
Da flucht man wohl der Stunden
trägem Hammer
Und schätzt am Esel dankbar
den Kinnbacken,
Muß aber doch, statt grob zu
sein mit Keulen,
Galant und höflich taube Nüsse
knacken
Und Tugend lernen von
bebrillten Eulen,
Bis die Dämonen uns beim
Schopfe packen;
Denn schrecklich ist’s, mit
alten Weibern heulen.
Die Klugen sprachen: „Du mußt
endlich lernen
Kaltblütig sein und mehr denn
früher pracktisch;
Die Dichtung Traum ist, doch
der Hunger faktisch,
Und keine Zinsen holt man von
den Sternen.
„Gedenk der Sorge, selbst der
noch so fernen,
Zeig fügsam Dich, nicht stolz
autodidaktisch,
Dein Feuerstrom sonst
gleichsam kataraktisch
Nach hohem Anfang endigt in
Tavernen.“
Darob erschrak mein Herz: Mit
Opfermienen
Die Prosa rief ich, die nebst
Wasserkübeln
Voll Nüchternheit und Vorsicht
schnell erschienen.
Sie wusch den Kopf mir, - kann
man ihr’s verübeln?
Die Gluthen starben, doch die
Kraft mit ihnen:
Und Kleinmuth ist die Frucht
von meinem Grübeln.
Welch ein Geräusch eitler
Gelehrsamkeiten,
Ob Adam unser Urpapa, ob Affen
Als Studie für dies Geschlecht
erschaffen,
Wie klein das Hirn, wie groß
das Maul vor Zeiten?
Zwar, wenn wir heut durch Saal
und Gasse schreiten
Und Männer sehn zum Spott für
welke Laffen,
Und blinzelnd Neid und
Hohlheit sich begaffen,
Verdächtig wird’s woher den
Stamm sie leiten.
Doch einmal ein Betrübter
jenen Gecken
Und wilden Fraun mit
überschminktem Herzen
Nachwandele durch lange
Lebensstrecken:
Und Heimweh, weinend unter
bittern Scherzen,
Und Narben, die vor solchem
Blick erschrecken,
Gewahrt sein Aug, - Goldgräber
sind die Schmerzen.